DER AUFBAU DES ZERBRECHLICHEN

Deutschland, Mitte der 1930er Jahre. Für das junge Ehepaar Rheinau herrscht Aufbruchstimmung. Es scheint keine Zeit zu bleiben, die Situation in Frage zu stellen; der Aufbau eines gemeinsamen Lebens ist – unter jeglichen Umständen – ein anspruchsvolles und verletzliches Unterfangen. Doch liegt dem Mitläufertum wirklich eine so einfache, kleinbürgerliche Logik zugrunde? Lässt sich das Private überhaupt vom Politischen trennen? Was unterscheidet Verliebtheit von Ignoranz, Freude von Überheblichkeit, Angst von Trägheit? „Der Aufbau des Zerbrechlichen“ begibt sich auf die Suche nach Antworten.

Aus dem Programmheft:
Das Thema „Aufbruch vor der Barbarei“ ließ mich als Erstes an meine Großeltern denken. Die einen waren bereits in den 20er Jahren aufgebrochen – in die Ehe, in die Erziehung ihrer vielen Kinder, in den Beruf, in die eigenen vier Wände, kurzum: in ein „ganz normales Leben“. Die anderen waren jünger, mein Großvater schloss Mitte der 30er Jahre sein Studium ab. Wie gelangten sie in jene Barbarei – und wie gelangte die Barbarei in ihr Leben?

Ich schließe Anfang 2010 mein Studium ab, gut 70 Jahre später. Ich frage mich, wie damals eine solche Lebensphase verlief. Wie war der Alltag – zum Beispiel wenn man verliebt war, einen festen Beruf noch nicht gefunden hatte, die erste gemeinsame Wohnung bezog? Welche Freiheiten hatte man, welchen Zwängen musste man sich beugen? Welchen Träumen, welchen Zielen folgte man?
In den Proben holten wir den Alltag des Dritten Reichs – oder was wir dafür halten – aus den Vitrinen und versetzten ihn auf der Bühne in Bewegung. Eine schaurige Fundgrube tat sich auf. Dieses Spiel war nicht immer angenehm; viel Gelächter war nötig, um die widersprüchlichen Gefühle unter Kontrolle zu halten.

Die Musik Barbara Geschers und die Lichtregie Katja Winkes haben uns manches Mal an der Rand der Geduld gebracht. Allerdings haben sie uns – in ihrer Dominanz und auch in ihrer Widersprüchlichkeit – für unser Spiel einen stabilen Rahmen verschafft. Eine ähnlich widersprüchliche Aufgabe scheint mir auch in der Vergangenheit zu liegen: ein sorgfältiges, liebevolles Loslassen, in dem Abkehr und Aufmerksamkeit, Entsorgung und Bewahrung, ja selbst Abscheu und Hingabe gleichermaßen Platz finden.

Pressestimmen

„Aber es folgt noch ein weiterer Paukenschlag mit Samuel Horns selbst geschriebenem und inszenierten Dialog ,Der Aufbau des Zerbrechlichen‘. Horn zeigt das Alltägliche, ein junges Paar in den Jahren des Nationalsozialismus bei der Besichtigung einer neuen Wohnung oder einfach in den Ferien an der See. Gespenstisch, wie die Nazi-Ideologie ins Private eindringt, zugleich anrührend die Versuche der kleinen Leute, mit dem Ungeheuerlichen umzugehen. Jörn Behr setzt ironische Akzente als junger Akademiker, und Evi Amon brilliert als junge, verstörte Ehefrau. Mit faszinierender Sensibilität vermag sie die zahlreichen Pausen, die Samuel Horn mutig, aber treffend in den Text einlässt, zu gestalten. Die unheimlichen Momente der Musik finden hier fabelhaft Eingang in das irritierende Schweigen des jungen Paars.“
– Kölnische Rundschau

„Ein sehr deutsches Paar … Die Balance zwischen komischen Sprach- und Mimikspielen sowie galligem Ernst gelingt Evi Amon und Jörn Behr ausgezeichnet.“
– Kölner Stadtanzeiger

„Die beiden umgibt eine seltsame, naive Unschuld … Das Horn-Stück ist eine postmoderne Auseinandersetzung mit der NS-Zeit … Eine Miniatur-Groteske mit abgründigem Charme.“
– aKT

Cast & Crew

Text und Regie: Samuel Horn
Schauspiel: Evi Amon und Jörn Behr
Bühnenbild: Thomas Wenzler-Horn
Musik: Barbara Gescher
Licht: Katja Winke
im Rahmen von „Der andere Weg“
Produktion: c.t.201 / studiobühneköln, 2009–2010